Wertvolle Tipps für eine Reise nach China
China gilt bestimmt nicht als einfaches Reiseland für Besucher. Die Etikette führt für ausländische Touristen so einige Fettnäpfchen herbei. Die Verhaltensweisen der Chinesen können auf Unverständnis stossen, wirken befremdend und bergen das Risiko eines Kulturschocks. Die Hintergründe zu erkennen ist die hohe Kunst, um kulturelle Besonderheiten besser einzuordnen.
Schlussendlich tickt China einfach anders, macht das asiatische Land umso interessanter – genau wie das Reisen sein sollte. Der Welt Explorer Karl Günthard erläutert seine amüsanten und lehrreichen Erfahrungen, vergleicht das China von früher mit der aktuellen Sachlage. Er durchleuchtet die unterschiedlichen Facetten, macht die chinesischen Gepflogenheiten verständlich, damit du mit diesen Tipps bei einer Reise durch China die kulturellen Stolpersteine einfacher meisterst und das faszinierende Land in vollen Zügen geniessen kannst.
China früher und heute
1971, kurz nach der Kulturrevolution, bei welcher allein durch Hunger über 30 Millionen Chinesen ihr Leben verloren, war ich erstmals auf einer Reise in China. Damals trugen die Chinesen noch ihre blaue Einheitskleidung. Die Regale in den Läden waren leer. Es wurde ausgiebig auf den Boden gespuckt. Die Strassen überquollen vor Fahrrädern und in der Schweiz war die kleine, rote Mao-Bibel ein Bestseller.
1981, auch zehn Jahre später war es Westlern nur als Gruppenreisende möglich das Land der Mitte, wie die Chinesen ihr Land selbst positionieren, zu besuchen. Ein deutschsprachiger Arzt wurde uns als Dolmetscher und Aufpasser zugeteilt, damit wir die genau festgelegten Tagesabläufe und Reiserouten auch einhielten.
1997 war ich anlässlich eines Marathonlaufes das dritte Mal in China und verstand anfänglich die Welt nicht mehr. Innerhalb von nur 15 Jahren hat sich alles sehr stark verändert. Die jüngeren Frauen kleideten sich nach den Vorgaben aus Europa, aus den Lautsprechern ertönten nicht mehr Parteiparolen, sondern wurde aufgefordert, Konsumgüter zu kaufen. Die vielen Fehlentscheide, welche ihr ehemaliger Parteivorsitzende Mao gefällt hatte, wurden hinter vorgehaltener Hand diskutiert.
Radfahrer als Exoten
Die Börse in Shanghai erklimmt konstant neue Höchststände. Die Regale in den Supermärkten sind randvoll, die Chinesen konsumieren, dass die Balken krachen. Die Strassen sind verstopft durch Autos und Elektromotorräder. Wenn es so weitergeht, ist der Fahrradfahrer bald ein Exote im Land, wo früher nur Fahrräder und Fussgänger das Strassenbild prägten. Nur die Wandzeitungen werden wie eh und je von interessierten älteren Herren und Frauen gelesen.
Stiller Ort der Geselligkeit
An die Sanierung der wirklich schrecklichen öffentlichen WC-Anlagen hat sich noch niemand herangewagt. Es gibt sie also immer noch, die Gemeinschaftstoiletten, in denen die Chinesen ohne Sichtschutz in Kauerstellung mit lautstarken Geräuschen ihre Notdurft verrichten und gleichzeitig ein angeregtes Schwätzchen mit dem Nachbarn halten. Eine amüsante Tradition oder ein Kulturschock?
Tradition und besondere Esskultur
Überhaupt ist der Chinese ein kommunikativer und geselliger Mensch. Ein Restaurant wird nicht nur wegen der Qualität ausgesucht, ganz und gar nicht. Die Lautstärke, welche nach draussen dringt, muss den Chinesen zusätzlich animieren, mit andern Chinesen um die Wette zu essen. Alleine hat man keine Chance einen Tisch zu ergattern. Der kleinste der ausnahmslos runden Tische bietet Platz für acht Europäer… oder sechzehn Chinesen. Die jüngere Generation trifft sich bis zu viermal die Woche zum gemeinsamen Essen. Es bestellt immer einer für alle. Bei vier Personen sind das um die zwanzig Gerichte, welche in beliebiger Reihenfolge auf das drehbare Rondell im Zentrum des Tisches gestellt werden.
Der Reis wird zuletzt serviert und dient nur noch dazu, ein noch vorhandenes Hungergefühl zu beseitigen. Ist auch das geschehen, dürfen die Stäbchen keinesfalls in den Reis gesteckt werden. Dies könnte dazu führen, dass ein Angehöriger einen frühen Tod erleidet. Aufgepasst bei diesem Fettnäpfchen.
Was alles im Teller landet
Ich war oft mit Chinesen essen und kann nur bestätigen, dass sie alles essen was vier Beine hat oder fliegt – ausser Stühlen und Flugzeugen. Neben Hund, Hirn, Schlange, Darm aber auch Blumen wie Rosen, Baumrinden, Pilzen und tausendjährigen Eiern, kam ich auch in den Genuss gespaltene Entenzunge und die Speiseröhre der Kuh zu probieren.
Obwohl ich viel Huhn gegessen habe, war es unmöglich ein saftiges Hühnerbrüstchen zu entdecken. Nach reiflicher Überlegung kam ich zum Schluss, dass sie die Brüstchen gar nicht lecker finden. Entweder werden sie in den Abfall geworfen oder aber nach Europa exportiert.
Ich habe mich dafür mehr oder weniger enthusiastisch mit den ganzen Hühnerköpfen und den abgeschlagenen Hühnerbeinen beschäftigt, welche mir vom Gastgeber auf den Teller gelegt wurden.
Essstäbchen und ex trinken
Die Integrationsfähigkeit eines Westlers wird von den Einheimischen dadurch bestimmt, wie gut er mit den Essstäbchen umgehen kann. Der Schallpegel in den Restaurants erhöht sich nicht zuletzt durch den Umstand, dass neben dem Tee vor allem Schnaps getrunken wird. Allen Asiaten fehlt ein Enzym, somit sind sie schneller betrunken. Trotzdem steht oft einer auf, kommt an den Tisch und will mit einem auf ex trinken. Aber sei auf der Hut, wenn du nicht in einem Zug leer trinkst, dann ist der Mitstreiter tief beleidigt, wie ich es schon in Kambodscha erlebt habe.
Besonderheiten bei der Fingerfertigkeit
Möchte man sich für etwas bedanken, klopft der Unverheiratete mit einem Finger auf den Tisch. Der Verheiratete mit zwei. Wer das Geheimnis wahren möchte, macht es mit drei Fingern.
Auch sonst benützen sie die Finger in einer uns unbekannten Art und Weise. So wird zum Beispiel nur mit einer Hand gezählt. Die Sechs wird angezeigt indem der Daumen und der kleine Finger der gleichen Hand in die Höhe gestreckt werden. Der Daumen und der Zeigfinger zusammen werden als Acht erkannt, währendem der Zeigfinger zum Haken gekrümmt die Neun symbolisiert.
Karaoke bis zum Abwinken
Nachdem das üppige Essen vorbei ist, verschiebt sich der aufgeschlossene Chinese in die Karaoke Bar. Dies sind wahre Paläste, wo jemand seine Freunde oder die Firmenbosse ihre Mitarbeiter und Kunden zum gemeinsamen Singen und Trinken einladen kann. Ins Karaoke geht der Chinese aber auch, um hübsche Frauen zu treffen und die Damen, um gut betuchte Herren kennen zu lernen.
Anfänglich glaubte ich fälschlicherweise, dass ich mich vor dem Singen drücken könne, da ich ja die chinesischen Schriftzeichen nicht kenne. Doch die moderne Technik macht es in diesem Fall unglücklicherweise möglich, den Text auch in Englisch abzubilden. Ich löste mit dem Lied «Edelweiss» wahre Begeisterungsstürme aus.
Augenkontakt unerwünscht
Im Gegensatz zu anderen Ländern in Asien, versucht die Mehrheit der Chinesen Augenkontakt zu vermeiden. Mir wurde gesagt dies sei ein Teil der chinesischen Kultur, aus Angst das Gesicht zu verlieren. Es könnte ja rauskommen, dass die angesprochene Person gar kein Englisch kann.
Weisse Haut bringt Reichtum
Bei einer Hochzeit kleidet sich die moderne chinesische Braut traditionell in Rot. Während der Feier zieht sie sich jedoch um, damit sie auch nach westlichem Vorbild in weiss heiraten kann, obwohl weiss die Farbe der Trauer ist.
Eine makellose weisse Haut ist vor allem vor der Hochzeit enorm wichtig, da die Chancen eine gute Partie zu ehelichen um einiges besser stehen. So benützen die Chinesinnen den Schirm in erster Linie gegen die Sonne. Es existiert sogar eine Schirmhalterung an den Fahrrädern, damit beide Hände auf dem Lenker liegen und trotzdem kein störender Sonnenstrahl die Haut bräunt. Die Arme sind zusätzlich durch lange Armschoner geschützt. Verkehrte Welt!
Doch auch die Männer haben ihre Gepflogenheiten. Der Chinese lässt den Nagel des kleinen Fingers unüblich lang wachsen. Er zeigt damit seiner Angebeteten, dass er nicht handwerklich arbeiten muss.
Körbe sind allgegenwärtig
Während ganz Asien und Afrika die Lasten auf dem Kopf trägt, dient in China ein Korb dazu, Schweine, Obst und sogar Kinder über eine grosse Entfernung zu tragen. Eine immer noch viel gesehene Alternative ist das Holzjoch, welches auf der Schulter abgestützt wird. Dies erlaubt dem Träger randvolle Wasserbehälter ohne Verlust über beträchtliche Distanzen zu tragen.
Die kleinen Kaiser
Die von Mao initiierte Ein-Kind-Politik führt dazu, dass die Einzelkinder als verwöhnte kleine «Kaiser», wie sie in China genannt werden, aufwachsen. Diese Regelung wurde nun jedoch etwas gelockert und mit einer Bewilligung kann ein zweites Kind beantragt werden. Ist das Erstgeborene ein Mädchen, besteht die Chance, ohne Strafe zahlen zu müssen, nochmals einen Versuch zu starten.
In Shanghai kostet ein nicht bewilligtes Kind 12’000 Dollar Busse. Die Möglichkeit bereits vor der Geburt das Geschlecht des Kindes zu erkennen, provoziert Abtreibungen. So gibt es Gegenden, wo auf hundert Mädchen, hundertdreissig Jungen kommen. Dass Töchter weniger willkommen sind als Söhne, hat nicht mit der anderswo ruinösen Mitgift zu tun. Es bedeutet für die Eltern, dass sie im Alter alleine dastehen, da die Tochter ins Haus der Schwiegereltern zieht und diese mit ihrem Mann zusammen unterstützt. Auch sind nur männliche Nachkommen berechtigt, Ahnenopfer zu bringen, so dass die Seelen der Verstorbenen in Frieden ruhen können.
Von den rund 1,4 Milliarden Chinesen heissen etwa 105 Millionen Li. Bei den Vornamen kennt die Fantasie keine Grenzen und die Mädchen heissen zum Beispiel «Intelligent und Wohlriechend» oder «Glücklich und Fröhlich». Eher aus Frust kann ein Mädchen aber auch «Zhao Di» heissen, was «Wink den kleinen Bruder herbei» heisst.
Die Frauen, das starke Geschlecht
Im Lande der Bai, einer ethnischen Minderheit, arbeiten traditionell nur die Frauen. Die Männer können dafür besser singen, Karten spielen, diskutieren und trinken. Aus der Sicht einer Bai-Frau besteht kein Grund, an dieser Regelung zu rütteln.
Auf die Krankenkasse kann verzichtet werden
Eher unfreiwillig hatte ich wieder einmal Gelegenheit ein Spital im Ausland von Innen zu besichtigen. Wegen eines akuten Hexenschusses, begab ich mich in Kunming ins Spital für höhere Beamte. Dank den absolut nicht üblichen Englischkenntnissen einer Ärztin, war es mir möglich, sie um eine Spritze in meinen verlängerten Rücken zu bitten.
Sie lehnte dies jedoch ab. Nach dem Messen des Fiebers und einer Röntgenaufnahme, musste ich die bis dahin anfallenden Kosten erst einmal im Nachbargebäude bezahlen. Nachdem ich die CHF 1.40 beglichen hatte, wurde ich davon in Kenntnis gesetzt, dass an meinen untersten fünf Rückenwirbeln drei gröbere Mängel bestehen. Zuerst hatte ich Angst, das Spital nur noch im Rollstuhl verlassen zu dürfen. Doch gab sie sich am Schluss damit zufrieden, als ich ihr versprach, keinen Sport mehr zu treiben. Zurück in der Schweiz relativierte sich das Ganze noch ein wenig mehr. Ich versuche jetzt mindestens beim Rasen mähen, mich ans Versprechen zu halten.
In den meisten asiatischen Ländern werden übrigens die Kranken von der Familie verköstigt und auch das Verschieben der Kranken innerhalb des Krankenhauses ist eine Aufgabe, welche die Angehörigen ausführen. Andere Länder, andere Sitten.
Unlesbare Zeichen und fremd klingende Töne
Total spannend sind die chinesischen Schriftzeichen. Jeder Chinese kann sie lesen und doch gibt es unzählige Möglichkeiten wie man sie ausspricht. Von den rund 47’000 Zeichen werden etwa 3000 zum Lesen einer Zeitung gebraucht.
Die vier verschiedenen Tonhöhen, in einem Dialekt sogar sechs, machen es für einen Westler beinahe unmöglich die Sprache zu erlernen. Das oft zitierte Paradebeispiel heisst: «Ma ma ma ma ma.» Die Übersetzung lautet: «Schimpft die pockennarbige Mutter das Pferd?» Da kann ein Reisender leicht ins Fettnäpfchen treten.
Der Stärkere hat Vortritt
Vor allem in den grossen Städten galt es einige für uns ungewohnte Situationen mit dem Fahrrad zu meistern. Die grösste Gefahr stellten die lautlos von hinten an einem vorbeizischenden Elektromotorräder dar.
Das Gesetz, ob geschrieben oder nicht, privilegiert im Strassenverkehr den Stärkeren. So steht der Radfahrer in der Hierarchie eigentlich nur noch über dem Fussgänger. Trotzdem genoss ich es, durch die fantastische Hügellandschaft von Guilin und entlang dem Li-Fluss zu radeln.