Reise von Guilin zu den Reisterrassen von Dazhai
Die Reisterrassen von Longsheng oder Longji sind ein fotografisches Highlight einer Reise durch den Westen von China. Vom Tourismusmagnet Guilin ist das Städtchen Longsheng mit einem öffentlichen Bus erreichbar. Von dort gelangst du mit einem Kleinbus in die abgelegenen Bauerndörfer, mitten im Anbaugebiet mit terrassierten Reisfeldern soweit das Auge reicht. Wegen ihrem Aussehen, da die Reisterrassen den Drachenschuppen ähneln, während der Gipfel des Gebirges wie das Rückgrat des Drachen aussieht, werden sie auch Drachenrücken Reisterrassen genannt.
Wie man in China Brücken überbrückt
In der einsamen Grenzregion zwischen den beiden chinesischen Staaten Guangxi und Guizhou, im Westen von China, ist der Bus die einzige Möglichkeit zu reisen. In Guilin präsentiert sich alles noch sehr komfortabel. Alle 20 Minuten fahren Busse gegen Nordwesten und es ist kein Problem einen Platz zu ergattern.
Doch die Fahrt soll nicht lange dauern, eine Baustelle bei einer Brücke macht ein Weiterkommen unmöglich. Doch durch Zufall oder gut organisiert, steht auf der anderen Seite des Flusses ein anderer Bus bereit uns aufzunehmen. Also, schnell durch den Dreck stapfen, auf einer Betonmauer balancierend die Brücke überqueren und weiter geht die Reise.
Chinesische Unterhaltung
Der Busfahrer ist sichtlich im Geschwindigkeitsrausch. Der Bus brettert über die Schnellstrasse, als seien wir ein Testfahrzeug für eine neue Formel-1-Rennstrecke. Aus dem Fernsehgerät dröhnen billig produzierte Actionfilme »made in Hongkong«, bei denen der Held in der Luft schwebend etlichen Kontrahenten vernichtende Fusstritte verabreichen kann.
Alle paar Minuten klingelt irgendwo ein Mobiltelefon. Um den Lärm des Films zu übertönen, müssen die Mitreisenden entsprechend laut sprechen. Eine herausfordernde Geräuschkulisse für unsereins, der lieber in aller Ruhe sein Buch gelesen hätte.
Kultur des Spuckens
Da war es wieder, dieses unangenehme Geräusch beim Speichel ansammeln. Spucken gehört zu den chinesischen Besonderheiten, ein kulturelles Unding. Die rücksichtsvolleren Mitreisenden benützten immerhin die Kotztüten, andere spucken zum Fenster raus, zwischen ihre Füsse oder sogar auf den Korridor. Dementsprechend übel sieht es schon bald aus und riecht noch viel ekliger.
Reise zum Reis
Die Gegend von Longsheng und Longji ist bekannt für die auf steilen Berghängen angelegten Reisterrassen. Deshalb haben wir vor, von Longsheng aus in ein Reisbauern-Dorf zu gelangen, um uns das genauer anzusehen.
Sobald der Bus auf einem dreckigen Innenhof in Longsheng zu einem Halt kommt, umringen uns schon einige junge, wunderschön gekleidete Frauen. Sie wollen uns eine Unterkunft in ihren Dörfern schmackhaft machen. Wie so oft, beschränkt sich die Kommunikation auf Fotos, die sie uns zeigen und auf die Zeichensprache. Somit wählen wir einfach mal die netteste der Damen aus und folgen ihr zu einem Minivan, der uns in ihr Dorf bringen soll.
Reisebereit hocken wir zehn Passagiere mitsamt Gepäck in diesem 8-Plätzer. Doch der Fahrer ist noch mit jemandem in ein heftiges Gespräch verwickelt. Bald darauf mischen sich die anderen chinesischen Fahrgäste einer nach dem anderen auch ein, jeder gibt seinen Kommentar ab. Die Stimmen werden immer lauter. Ich schätze, da will noch jemand unbedingt mitfahren und da es schon eindunkelt, ist dies vielleicht die letzte Möglichkeit. Also opfert halt ein Fahrgast seine Beine als zusätzlichen Sitz.
Nun rumpeln wir endlich los. Nach einer guten halben Stunde merkt der Fahrer aber, dass er zu wenig Benzin hat, um ans Ziel zu gelangen. Also fahren wir diese halbe Stunde wieder zurück um zu tanken.
Unterwegs mit dem Mitternachts-Express
Und nochmals geht es los. Meine Beine schmerzen mich jetzt schon wegen dem drückenden Rucksack auf den Knien und Null Beinfreiheit. Doch es wird noch einiges schlimmer werden. Die fehlende Kommunikation rächt sich mächtig. Das angepriesene Dorf mit den Reisterrassen ist alles andere als in der Nähe von Longsheng. Der VW-Bus steigt sicher noch zwei Stunden bei stockdunkler Nacht den Berg hoch und bei dieser immer gleichen Sitzposition komme ich effektiv an die Schmerzgrenzen. So viel zu Verständigungsproblemen mit verführerisch hübsch gekleideten Einheimischen.
Chinesische Familie beim Dorf Dazhai
Endlich stoppt das Fahrzeug und wir werden aufgefordert auszusteigen. Wir haben einen Bärenhunger und sind todmüde. Doch vorerst gibt es weder Essen noch Schlaf. Es stellt sich heraus, dass unsere Gastgeber nicht unten im Dörfchen Dazhai leben, sondern weit oben auf dem Drachenrücken, mitten in den Reisterrassen.
Eine echte Herausforderung, mit schwerem Backpacker-Rucksack auf einem nur mit der Stirnlampe angeleuchteten schmalen Pfad durch die Reisfelder hoch zu steigen. Es ist ein Wechselbad der Gefühle, zwischen purer Verärgerung über die spätabendlichen Strapazen sowie grossem Staunen und Bewunderung der agrikulturellen Meisterleistung der chinesischen Reiskultur.
Völlig verschwitzt erreichen wir nach über einer Stunden Nachtsport das eindrückliche Wohnhaus der Familie des Lockvogel-Mädchens, welches quickfidel voraus getänzelt war. Obwohl es schon gegen Mitternacht ist, tischen uns die gastfreundlichen Familienmitglieder noch ein üppiges Abendessen auf – unnötig zu erwähnen, dass Reis ein wichtiger Bestandteil ist.
Guten Morgen China
Am nächsten Morgen können wir schon von unserem bescheidenen Zimmer aus die ganze Pracht der Reisterrassen bewundern. Auf allen Seiten glitzert das Wasser der künstlerisch terrassierten Reisfelder im ersten Morgenlicht. Das Volk der Dong und Yao kultiviert auf den Hängen in der Bergwelt von Guanxi seit Jahrhunderten ihr Grundnahrungsmittel. Wenig erstaunlich wird uns zum Frühstück eine Schüssel Reis mit einigen Stückchen Gurke aufgetischt.
Die terrassenförmig angelegten Reisfelder erhielten ihren Namen, weil die Reisterrassen den Drachenschuppen ähneln, während der Gipfel des Gebirges wie das Rückgrat des Drachen aussieht. Auf English heissen sie »Dragon’s Backbone Rice Terraces« .
Wanderung durch die Reisfelder
Bei Tageslicht und ohne Rucksack ist es ein wahres Vergnügen auf den steilen Fusswegen die smaragdgrün leuchtenden Reisterrassen zu erklimmen, die wie Infinity Pools an den Berghängen kleben. Hie und da begegnen wir lokalen Bauern, welche wir mit dem bestmöglichen »Ni hao« begrüssen und uns gegenseitig freundlich zunicken.
Auf den Feldern sind nur wenige Leute beim Arbeiten zu beobachten. Wir passieren das eine oder andere urige Bauerndorf. Die zwei- und dreistöckigen Holzhäuser stehen so eng zusammen, dass sich nur sehr schmale Gassen zwischen ihnen bahnen. Mit etwas mehr Zeit kannst du die empfehlenswerte, etwa 5-stündige Wanderung von Dazhei ins Dorf Pingan oder Longji unternehmen.
Abreise aus Dazhai
Am Nachmittag warten wir mit vielen Einheimischen bei einem Unterstand ausserhalb von Dazhai auf ein Transportmittel. Wir scheinen Glück zu haben, schon bald kurvt ein Minibus hupend heran. Andererseits hätten all die Leute sicher drei bis vier Busse füllen können. Ob wir wohl einen Platz ergattern können? Lustigerweise stellen wir fest, dass die paar Holzbänke der Haltestelle als Treffpunkt der Bewohner von Dazhai zu einem gemütlichen Schwatz dienen und schlussendlich steigen gerade mal fünf Chinesen in den Bus ein.
Die enge Schotterstrasse windet sich holprig zwischen den Bergflanken und einem stattlichen Bach das Tal hinaus. Eine Konzentrationsnachlässigkeit hätte fatale Folgen gehabt. Doch der geschickte Fahrer meistert die Strecke zurück nach Longsheng souverän.
Rundreise durch China
Unser nächstes Reiseziel in China wird die Stadt Chongqing sein. Wir haben vor, eine Flussfahrt durch die Drei Schluchten auf dem Yangtze Kiang zu unternehmen.