Flussfahrt durch die Drei Schluchten des Yangtze

Der mächtige Yangtze Kiang (auch Jangtsekiang) ist mit 6300 km der längste Fluss in China und einer der längsten Flüsse der Welt. Zwischen den Metropolen Chongqing und Yichang bahnt sich der Yangtze seinen Weg durch das Wu-Gebirge und die Drei Schluchten Qutang-Schlucht, Wu-Schlucht (Hexenschlucht) und Xiling-Schlucht, dies ist gleichzeitig der eindrucksvollste Abschnitt der Kreuzfahrt. Dazu gilt es noch den in der Welt unübertroffenen Drei-Schluchten-Damm mittels fünf Schleusen zu überwinden. Eine Schiffsreise auf dem Yangtze Kiang ist wahrlich ein unvergessliches Erlebnis in China.

Ankunft in Chongqing

Schon bei der Ankunft in der Millionenstadt Chongqing, dem Ausgangspunkt der Schiffsreise, wurde mir das große Business der Kreuzfahrten bewusst. Ich hielt dem Taxifahrer die Adresse eines Hotels unter die Nase, er fuhr mich jedoch zu einer Bauruine und deutete an, das Hotel existiere nicht mehr. Dann brachte er mich zu einem Reisebüro, natürlich spezialisiert auf Flusskreuzfahrten auf dem Yangtze Kiang.

Ich suchte mir im Reiseführer ein anderes Hotel raus und wollte dorthin gebracht werden. Nach etwa 15 Minuten umherkurven hielt der Fahrer schon wieder verschmitzt lächelnd vor einer Agentur für Schiffsreisen. Nun musste auch ich in meine Trickkiste greifen, um diesen Typen loszuwerden. Ich täuschte Interesse an der Agentur vor, flüchtete in eine Bäckerei, nahm auf der anderen Seite ein neues Taxi und tatsächlich konnte ich wenig später ins anfänglich anvisierte Hotel einchecken.

Suche nach einem Kreuzfahrtschiff

Ich reise immer ungemein spontan, ohne vorreservierte Unterkünfte oder fixen Reiseplan. Die Idee einer Schifffahrt auf einem der weltweit größten Flüsse ließ mich nun nicht mehr los.

Am nächsten Tag machte ich mich auf ein geeignetes Schiff zu finden. Zuerst spielte ich mit dem Gedanken ein gewöhnliches Linienschiff oder sogar ein Frachtschiff zu nehmen. Doch sprachen einige gewichtige Argumente dagegen. Es würde somit keine Stopps für die Besichtigung der Sehenswürdigkeiten unterwegs geben und allenfalls würde man die attraktivste Strecke durch die Drei Schluchten bei Nacht passieren.

Die mysteriöse Agentur der President Cruises

Also entschloss ich mich für ein touristisches Kreuzfahrtschiff. Mit der »President No. 6 Yangtze Paradise« fand ich zumindest vom Namen her eine wohlklingende und vielversprechende Option. Die Abfahrt sollte gleich heute Abend sein.

Dubios und ein mulmiges Gefühl hinterließ jedoch die ganze Abwicklung der Buchung. Meine Kreditkarte wollten sie nicht annehmen. Der in einem gebrochenen Englisch sprechende Angestellte deutete mir an ihm zu folgen. Wir hetzten durch ein Labyrinth von Büros beim Hafen, bis er mir irgendwo ein Zahlungsterminal präsentierte. Wir vollbrachten die Transaktion und eilten zurück in sein Reich. Statt einer von einem Computer ausgedruckten Buchungsbestätigung, drückte er mir hier bloß ein rosa Zettelchen in die Hand. Darauf konnte ich immerhin meinen Namen zwischen etlichen chinesischen Schriftzeichen entziffern.

Die Türe schloss sich hinter mir und ein Schild mit roten Lettern »Closed« schien mich hämisch anzustarren. War ich soeben einem Hochstapler auf den Leim gegangen? Meine ganze Euphorie und Vorfreude erlitt einen krassen Dämpfer. Nun konnte ich nur noch hoffen, dass der präsidentschaftliche Kahn heute Abend auch bereitstehen würde und irgendjemand mein rosa Zettelchen als Fahrschein anerkennen würde.

Nix Schiff ahoi

Meine Sightseeing Tour durch Chongqing wurde arg belastet durch diese Ungewissheit. Gegen Abend kehrte ich frühzeitig und gespannt zurück zum Hafen. Meine ungute Vorahnung schien sich zu bestätigen. Tatsächlich stand mein Schiff President No. 6 nicht an der Chaotianmen Pier, wo es hätte ankern sollen. Alles nachfragen half nichts, niemand wusste was oder konnte mit dem ominösen pinken Schein was anfangen.

Der Hafen in Chongqing war touristisch verdorben. Musste die Höflichkeit erkauft werden? Ich drückte einem dieser inoffiziell offiziell tuenden Chinesen einige Yen in die Hand und er schien bereit mich zum richtigen Ankerplatz des Schiffes zu führen. Die chinesische Kultur mit ihren Besonderheiten.

Auf dem Kreuzfahrtschiff

Da war es. Erwartungsvoll streckte ich der ersten uniformierten Person die sich mir näherte mein rosa Zettelchen hin, in der Hoffnung als Fahrgast anerkannt zu werden. Doch auch nach mehrmaligem Überprüfen der Passagierliste, tauchte mein Name nicht auf. Ich kam mir echt verarscht vor. Wars das?

Zu meiner großen Erleichterung wurde ich nach einigem nervösen Hin und Her trotzdem zu einer Kabine gebracht. Ich ließ mich erleichtert aufs Bett fallen, immerhin war es zwischenzeitlich schon später Abend geworden. Ans Auspacken meines Backpacks war nicht zu denken. Irgendwie befürchtete ich, jeden Moment könnte mich jemand wieder aus der Kabine jagen. Ich hoffte auf das baldige Ablegen des Schiffes, erst dann war ich auf Nummer sicher. Aus einer Infomappe entnahm ich das Reiseprogramm und stellte ernüchternd fest, dass wir die Nacht noch im Hafen von Chongqing verbringen würden. Das Bangen ging weiter.

Der erste Tag auf dem Yangtze Kiang

Glücklicherweise störte niemand meine Nachtruhe. Am frühen Morgen, es musste gegen 6 Uhr sein, legte das Kreuzfahrtschiff endlich ab. Welche Erleichterung, es ging los, das Reisefieber war zurück. Ich öffnete die Vorhänge und beobachtete fasziniert die vorbeiziehende Szenerie.

Geisterstadt Fengdu

Wir tuckerten den Yangtze flussabwärts. Die Umgebung war anfänglich noch stark überbaut. Etliche Fabriken haben sich entlang dem Flussufer niedergelassen. In hässlichen Betonbauten leben wahrscheinlich deren Arbeitskräfte.

Wir erreichten Fengdu. Durch den Bau des Drei-Schluchten-Damms wurde die alte Ortschaft überflutet. Für die rund 300’000 Bewohner wurde ein neues Fengdu oberhalb des Flusses errichtet.

Die am Hang gelegene Tempelanlage nennen die Chinesen »Ming Shan« oder »Geisterstadt«. Auf einigen hundert Treppenstufen schnauften wir den heiligen Berg hoch, rein in ein Reich voller mystischer, der Unterwelt und der Hölle geweihten Tempel.

Qutang-Schlucht

Gegen Mittag des zweiten Tages kam von weitem die erste der drei Schluchten in Sicht: die Qutang Schlucht, auch als Blasebalg-Schlucht bekannt. Dramatisch türmten sich auf beiden Seiten die Felsen in die Höhe und unser Schiff wirkte nur noch lächerlich klein zwischen diesen mächtigen Boliden der Natur. Mit den steil abfallenden und eng zusammenrückenden Bergwänden ist dies wohl die eindrücklichste der drei Schluchten. An Bord des Flussschiffes lässt sich das Naturspektakel so richtig genießen.

Wu-Schlucht

Kurz darauf erreichten wir die Wu-Schlucht, auch Hexenschlucht genannt. Sie war nicht mehr ganz so hoch und eng, dafür erstreckte sie sich über etwa 40 km. Mal säumten grün leuchtende Reisterrassen die Berghänge, mal dominierten praktisch senkrechte Felswände oder von Wald bedeckte Berge die Landschaft. Die Sonnenstrahlen und die immer wieder auftauchenden Nebelschwaden zauberten eine geheimnisvolle Stimmung hervor und die Bergkulisse wirkte noch eindrucksvoller.

Auf dem Shennong Fluss

Bei der Stadt Badong ankerte das Schiff für einen Ausflug auf dem Shennong Fluss. Ein etwas kleineres Boot brachte uns zu einem Landesteg für noch kleinere, längliche Holzboote. Mit riesigen Rudern hantierend, brachten uns sechs Bootsleute durch den Shennong Canyon flussaufwärts. Der Fluss ist schmal und die Schlucht mit den teilweise bizarren Felsformationen vielleicht sogar noch malerischer als diejenige des Yangtze.

Als der Fluss zu seicht wurde, zogen einige Chinesen die Boote mit Seilen weiter, was angeblich eine alte Tradition des hier ansässigen Volkes sei, jedoch an Sklaventreiberei grenzte. So war es mir mehr als recht, als wir umkehrten, auf dem Fluss zurück zum Yangtze Kiang glitten.

Der Drei-Schluchten-Staudamm

Am späten Abend gelangte das Flussschiff zu den Schleusen der Drei-Schluchten-Talsperre. Ein wahrlich faszinierendes Schauspiel wie sich mehrere Passagierschiffe und Frachter in die riesigen Schleusenkammern zwängten. In fünf Stufen werden die Schiffe 180 m gesenkt, auf das Niveau des Yangtze Flusses hinter dem Stauwehr. Das Durchlaufen der Schleusen dauerte mehrere Stunden. Anfänglich beobachtete ich das Spektakel vom Deck aus. Doch irgendwann zogen sich die meisten Reisenden in die Bar zurück.

Am nächsten Morgen besuchten wir den eigentlichen Drei-Schluchten-Damm. Das Projekt war und ist immer noch sehr umstritten. Etwa 1.5 Millionen Menschen mussten umgesiedelt werden und unzählige historische Bauten wurden einfach überschwemmt. Darüber hinaus drohen die noch nicht absehbaren Konsequenzen für die Natur und Tierwelt.

Megaprojekt Wasserkraftwerk

Andererseits wird soviel Energie wie von 18 Atomkraftwerken produziert. Durch Flutkontrollen können angeblich verheerende Überschwemmungen vermieden werden und es vereinfache die Schifffahrt auf dem Jangtsekiang. Die Fakten des Megaprojekts sind jedenfalls eindrücklich: 180 m hoch, über 2 km lang, etwa 600 km Staulänge und 18’000 Megawatt Kapazität.

Xiling-Schlucht

Bei einer Reise mit einer so bunt zusammengewürfelten Gruppe, hat es natürlich immer den eint oder anderen mit Interpretationsschwierigkeiten, von wegen zu einer bestimmten Uhrzeit an einem bestimmten Ort zu sein. Erstaunlicherweise waren das nicht die wenigen ausländischen Touristen auf der President Cruise, welche immerhin noch sprachliche Schwierigkeiten als Ausrede gehabt hätten. Nein, es waren die oft ungeschickt und verloren wirkenden chinesischen Mitreisenden. Einige waren nicht rechtzeitig an Bord zurückgekehrt und hinderten uns nun an einer pünktlichen Weiterfahrt.

Endlich setzten wir die Schiffsreise fort, durch die längste der Yangtze Schluchten, die gut 80 km lange Xiling-Schlucht. Die Fahrt wurde von einem sehr feinen Abschiedsbuffet begleitet. Zwischen feinen chinesischen Köstlichkeiten erhaschten wir durch die Fenster immer wieder Blicke auf die vorbeiziehende Landschaft. Ich hatte das Gefühl, niemand wollte so richtig ankommen, sondern weiterhin die Flussfahrt genießen.

Ausschiffung in Yichang

Wenig später legte das Schiff in Yichang an. Die Ausschiffung verlief ziemlich hektisch. Das vorbereitete Reisegepäck wurden von chinesischen Kofferträgern fast schon entführt, das durfte man wirklich nicht aus den Augen verlieren. Zudem herrschte ein riesiges Gedränge beim Ausgang. Einige Angestellte kontrollierten noch, ob der Getränkekonsum auch rechtmäßig beglichen wurde. Wiederum hatte es ein stattliche Anzahl Gäste, welche die ganztägig gemachten Aufrufe ignoriert hatten und nun ganz nervös umherirrten.

Ich entschloss mich die Nacht in Yichang zu verbringen und würde mich am nächsten Tag entschieden, wie ich die Reise durch China fortsetzen würde.

Luis Explorer
Luis grosse Passion ist das Reisen, was nicht gross überrascht. Am liebsten ist er dabei mit dem Zug oder dem Schiff unterwegs... wenn er nur nicht selbst ein Auto steuern muss. Trekkings gehören ebenso in sein Repertoire wie tiefgründige Reportagen über Land und Leute. 77 Länder hat er schon erlebt und in Argentinien und Kambodscha je zwei Jahre gelebt. Ein Welt Explorer mit einem riesigen Reise Know-How.