Insel Ometepe und Besteigung Vulkan Madera
Nach dem Besuch der Hauptstadt Managua und den hübschen Kolonialstädten León und Granada, sollte der Lago de Nicaragua mit der Isla de Ometepe und die Besteigung des Madera Vulkan der Höhepunkt der Reise durch Nicaragua werden. Die Insel Ometepe ist sicherlich eines der faszinierendsten Reiseziele in Mittelamerika, mit tollen Attraktionen im Einklang mit der lokalen Bevölkerung und der Natur.
Reiseziel Nicaragua
Nicaragua bietet alles, was Reisende in Mittelamerika erwarten: Städte aus der Kolonialzeit, exotische Tiere und Pflanzen, tropischer Regenwald, verwunschene Vulkane, hübsche Strände und den riesigen See Lago de Nicaragua. Doch die Nachwehen der politischen Unruhen und des bitteren Bürgerkrieges scheinen Touristen immer noch von einem Besuch abzuhalten – völlig zu Unrecht. Doch dies kann uns ziemlich egal sein – ganz im Gegenteil. Ein Geheimtipp wie Nicaragua wird nicht ewig ein Geheimtipp bleiben und wir genießen die herzlichen Begegnungen und das ehrliche Interesse der einheimischen Bevölkerung.
Lago de Nicaragua
Der Süden Nicaraguas steht ganz im Zeichen des Lago de Nicaragua, dem 150 km langen und 55 km breiten Nicaragua-See. Nach dem Titicacasee in Bolivien ist es der zweitgrößte See in Lateinamerika. Über 350 Inseln und Eilande mit subtropischer Vegetation befinden sich hier. Auf der Isla el Moro befindet sich ein Freizeitpark, die Isla Zapatera wird von Kleinbauern und Fischern bewohnt und war einst eine wichtige Kultstätte der Ureinwohner. Die größte Insel ist die Isla de Ometepe. Schon vom Ufer bietet sie mit ihren beiden Vulkanen eine eindrucksvolle Kulisse.
Isla de Ometepe
Auf der Karte schaut Ometepe wie eine Acht aus, mit dem konischen, immer noch aktiven Vulkan Concepción (1610 m) in der nördlichen Schlaufe und dem erloschenen Vulkan Madera (1394 m) nach der Landenge südlich davon. Auf Ometepe leben heute gegen 30’000 Menschen, überwiegend vom Tabak-, Bananen- und Gemüseanbau. Die beiden größten Ortschaften sind die Inselhauptstadt Altagracia (auch Alta Gracia) und die wichtigste Hafenstadt Moyogalpa.
Bootsfahrt nach Ometepe
Die Fähren auf die Insel Ometepe fahren vom am Südufer gelegenen Dorf San Jorge ab. Die Überfahrt nach Moyogalpa dauert rund eine Stunde. Die Kapazität der Fähre ist erstaunlich und beängstigend zugleich. Wenn man meint es gehe nichts mehr, wartet das Gefährt noch eine Weile und Duzende weitere Personen zwängen sich auf das Deck. Kräftiger Wind und Wellengang machen unsere Passage sehr turbulent. Aber wir kommen heil in der Hafenstadt Moyogalpa auf der Insel Ometepe an.
Hafenstadt Moyogalpa
Bleibe nicht in Moyogalpa. In der Hafenstadt gibt es zwar einige Hostels und besser dotierte Unterkünfte, doch erinnert das wiederum an andere Ortschaften in Mittelamerika. Der Reiz von Ometepe liegt in der Natur und der relativen Abgeschiedenheit. Die uns von anderen Reisenden empfohlene Hacienda Mérida scheint genau das zu erfüllen.
Wir machen uns auf, mit dem öffentlichen Verkehrsmittel, einem großen, gelben, amerikanischen Schulbus, wie Sardinen eingequetscht. Auf einer holprigen Straße geht es durch kleine Dörfer, Bananen- und Kaffeeplantagen. Es ist der Beginn der Kaffeeernte. Einige Kaffeebohnen sind bereits rot und werden einzeln von Hand gepflückt und gesammelt. Die Menschen hier leben sehr einfach, oftmals mit einem kleinen Gemüsegarten und ein paar Hühnern.
Hacienda Mérida
Wir umrunden den Vulkan Concepción und kommen dann zur Hacienda Mérida, hübsch am Seeufer gelegen, mit dem Vulkan Madera dahinter. Hier kannst zu wählen zwischen einer Hängematte für eine Handvoll Dollar, einem Schlafsaal mit anderen Weltentdeckern oder einem eigenen Zimmer mit WC und Dusche. Das Hacienda Mérida verfügt über ein Restaurant mit einfachem aber leckerem Essen, eine Bar und einen Garten mit eigenem Strand. Hier erlebst du auch die eindrücklichsten Sonnenuntergänge der ganzen Region.
Unweit von Mérida befindet sich der Wasserfall »Cascada de San Ramón«. Je nachdem wie viel es geregnet hat, ist es ein beschauliches Rinnsal oder ein stattlicher Wasserfall. Die etwa einstündige Wanderung lohnt sich dessen ungeachtet.
Schwimmbecken »Ojo de Agua«
Ein weiteres Ausflugsziel ist »Ojo de Agua« mit seinen von unterirdischen Quellen gespeisten Schwimmbecken. Diese befinden sich hübsch eingebettet im tropischen Wald, umgeben von mächtigen Bäumen. Hier kannst du dich im kühlen Wasser erfrischen und im größeren Becken sogar richtig gut schwimmen – eine Wohltat für Körper und Geist. Das kleine Restaurant serviert Snacks und Getränke.
Der Ort ist bei Reisenden und Einheimischen gleichermaßen beliebt und entsprechend viele Leute können sich hier tummeln. Versuche es frühmorgens und der Ort sprüht nur so vor Charme. Begebe dich zur östlichen Seite der Insel, an den Strand von Santo Domingo. Von dort sind es ca. 2 Kilometer bis zur Abzweigung und dann zu Fuß nochmals etwa einen Kilometer bis zu den Schwimmbecken.
Auf zur Finca Magdalena
»Volcán Madera«, ruft uns der Busfahrer zu und fordert uns auf auszusteigen. Es dunkelt bereits ein, als wir uns im Siedlungsgebiet von Balgüe auf den Weg zu unserer auserwählten Unterkunft, der ökologisch betriebenen Finca Magdalena* machen. Durch Waldpartien, Bananen- und Kaffeeplantagen schleppen wir unsere Backpacks 30 Minuten den Hügel hoch. Wir haben die Strecke unterschätzt, sonst hätten wir wohl eine Mitfahrgelegenheit gesucht.
Großzügigerweise wird den hungrigen Wanderern auf der Finca gleich ein Teller mit Reis, Bohnen und getrockneten Bananenschnitzen offeriert. Von der Terrasse ergibt sich eine wunderbare Aussicht über die grüne Insel. Das letzte Sonnenlicht lässt das Wasser des Nicaragua-Sees rot glitzern.
Das ist der angenehme Teil. Fakt ist jedoch, dass die Finca wegen Umbauarbeiten nur limitiert Schlafplätze bieten kann und diese durch die Arbeiter belegt sind. Uns wird als Alternative ein derzeit leerstehender Stall zugewiesen, wo wir uns mit ein paar Brettern eine rudimentäre Holzpritsche zum Schlafen zimmern.
Wie wir gesehen haben, sind die eigentlichen Zimmer und Schlafsäle von einfacher Natur. Für zarte Seelen anerbietet sich daher ein Hotel oder Unterkunft unten in Balgües zu buchen. Die Location ist jedoch überragend, die Umgebung weiß zu gefallen. Als Ausgangspunkt für die Besteigung des Vulkan Madera punktet die Finca Magdalena* sowieso. Zudem können Guides kostengünstig angeheuert werden.
Besteigung des Vulkan Madera
Der 1394 m hohe Vulkan Madera nimmt die südliche Hälfte der Insel Ometepe ein. Im Gegensatz zum nördlich gelegenen Concepción ist es ein schlafender Vulkan. Die Besteigung ist keine Hexerei, trotzdem ist eine grundlegende Fitness erforderlich. Wir empfehlen dir robuste Schuhe anzuziehen. Es ist ein raues Gelände, das oft nass, schlammig und folglich rutschig sein kann. Da bist du froh um ein gutes Profil der Sohle.
Wir haben das Trekking in Eigenregie unternommen, da wir einerseits sehr viel Erfahrung mit Trekking Touren in den Alpen haben, andererseits sind wir so spontan auf der Finca aufgetaucht, dass gerade kein Guide verfügbar war. Ein lokaler Führer ist jedoch bestimmt eine gute Sache. Es gibt auf der Route einige Weggabelungen, bei denen man sich irren und dann verirren könnte. Der Tourismus ist auch eine wichtige Einnahmequelle und schafft Arbeitsplätze für die lokale Bevölkerung.
Vulkanwanderung
Am nächsten Morgen früh stärken wir uns mit einem heißen Kaffee und einigen getrockneten Bananenschnitzen, bevor wir die Besteigung des Vulkans angehen. Noch mehr Bananenschnitze, Kekse und Wasser sind das einzige, was wir in der Finca noch als Proviant beziehen können. Das muss ausreichen. Nur mit einem Tagesrucksack lässt es sich deutlich schneller wandern als noch gestern Abend mit Vollpackung.
Anfänglich ist es relativ flach und wir kommen gut voran. Nur die Hitze setzt uns immer mehr zu, sie ein nicht zu unterschätzender Faktor. Die Natur im tropischen Wald lebt. Insekten vergnügen sich rundherum, Vögel geben ihr schönstes Morgengezwitscher von sich und wir sehen einige Affen hoch über uns in den Baumkronen rumalbern.
Der letzte Abschnitt wird steiler. Die schlammigen und glitschigen Pfade zehren an den Kraftreserven. Nach etwa vier Stunden erreichen wir den in dichter, tropischer Vegetation versteckten Kratersee.
Es ist auf dem Volcán Madera nicht so spektakulär wie auf anderen Vulkangipfeln. Trotzdem herrscht eine gewisse Magie und Harmonie hier oben. Wir strahlen übers ganze Gesicht und tauschen gleich mehrere »High Fives« aus. Uns gefällt es auch, den ganzen Vulkan nur für uns zu haben, auf dem ganzen Trekking sehen wir keine Menschenseele.
Begegnung mit der Tierwelt
Ein Wolkenschleier umhüllt den Vulkangipfel und kündigt einen baldigen Tropenschauer an. Wir machen uns an den Abstieg, auf dem gleichen nun bekannten Wanderweg. Plötzlich raschelt und zischt es. Erschrocken bleibe ich sofort stehen. Genau vor mir, halb verdeckt von einem großen, ovalen Blatt, starrt mich eine ebenso erschrockene Schlange an. Irgendwie scheint sie die Situation abzuwägen, zwischen einem für sie leichten Angriff auf meine nur einige Zentimeter entfernten Beine und einem raschen Abgang. Obwohl alles in nur einem Bruchteil einer Sekunde abläuft, scheint unsere Schockstarre ewig anzuhalten… bis die Schlange in wenigen raschen Bewegungen endlich im Dickicht verschwindet. Uff, Glück gehabt! Wie wir später erfahren haben, passt unsere Beschreibung auf eine giftige Schlangenart, deren Namen mir aber entfallen ist.
Beim Abstieg machen wir nur eine kurze Rast bei der Hacienda Magdalena, um unseren größeren Rucksack wieder zu schultern und natürlich um den Bananenschnitzel Proviant aufzustocken. Dann machen wir uns noch an die letzten Höhenmeter bis runter an die Hauptstraße.
Servicio Especial
Viel Zeit bleibt uns nicht mehr. Noch heute Abend wollen wir im Hafen von Altagracia am anderen Ende der Insel das nur einmal pro Woche fahrende Boot nach San Carlos unweit der Grenze zu Costa Rica nehmen.
Wir winken einem heranpreschenden Bus zu. Fast schon wie ein Notstopp kommt das Vehikel zum Stehen. Zu unserer großen Überraschung gibt es keinen einzigen Fahrgast. Der Fahrer scheint unser Staunen und Zögern richtig zu interpretieren. »Servicio especial«, meint er und lacht übertrieben laut. Wir einigen uns auf einen Fahrpreis, der zwischen dem Ticket für den öffentlichen Bus und einem Taxi schwankt. Dafür haben wir noch freie Musikwahl als Goodie. Perfekt gelaufen, somit schaffen wir das noch.
Mit dem Boot über den Lago de Nicaragua
Pünktlicher als erwartet treffen wir im Hafen von Altagracia ein. Genug Zeit um uns Tickets zu besorgen und einen Teller mit Reis und vereinzelten Stücken eines Hähnchens zu essen. Amüsanterweise heißt das Mahl »Menu especial«.
Zusammen mit erstaunlich vielen Leuten und noch viel mehr Kisten und Gepäck warten wir geduldig. Kurz vor Mitternacht kommt endlich das Zeichen zum Borden. Stellt sich nur die Frage, wo man am wenigsten nass wird. Der Regen hat eingesetzt. Aber auf dem ganzen Deck gibt es keine Überdachung. Dazu strömen immer noch mehr Passagiere auf das schon hoffnungslos überfüllte Boot. Wir fahren die Ellenbogen aus, um unser kleines Territorium gegen drängelnde Passagiere zu verteidigen. Die Stimmung ist gereizt. Es wird gestoßen und geschubst, die Wortwahl dabei ist nicht was man in einem Wörterbuch finden würde. Jeder versucht das Beste für sich und seine Angehörigen herauszuholen.
Endlich legt das Schiff laut tutend ab. Die Menschenmenge steht und sitzt dicht gedrängt zusammen. Ich spüre jede einzelne Bewegung meiner Nachbarn. Glücklicherweise ist die Stimmung ins Positive gekippt. Jeder hat sich arrangiert und wie Leidensgenossen ergeben wir uns dem verregneten Schicksal.
Trotz der schwülen Hitze wickle ich mich in die Regenjacke und machen es mir auf dem Rucksack so bequem wie möglich. Wanderung sei Dank war ich genug erschöpft, um in diesen misslichen Umständen doch sporadisch etwas zu schlafen. Mit der Schiffsfahrt über den Nicaragua See endet auch unser Aufenthalt in Nicaragua. Bei San Carlos überqueren wir die Grenze und setzen unsere Reise in Costa Rica fort.
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