Übertriebener Hype oder bestätigtes Highlight?
Transsilvanien – der Name klingt mystisch. Vielleicht denkst du jetzt an die liebliche Landschaft und den Gebirgszug der Karpaten. Allenfalls hast du schon von der hübschen mittelalterlichen Stadt Brasov gehört. Aber war da nicht sonst noch was? Transsilvanien ist auch die Heimat von Graf Dracula und seinem Schloss Bran. Wir waren dort, wir erzählen wie es war.
Transsilvanien und Siebenbürgen
Sieben Burgen dominieren die Region von Transsilvanien zwischen den Städten Brasov, Sibiu und Cluj Napoca. Aufgrund dessen wurde der deutsche Namen Siebenbürgen abgeleitet. Dank deutschen Zuwanderern haben die drei erwähnten Metropolen außerdem deutsche Namen: Kronstadt, Hermannstadt und Klausenburg. Das mittelalterliche Flair aus jener Zeit versprühen sie noch immer.
Transsilvanien bedeutet wortwörtlich übersetzt «Jenseits des Waldes». Endlose Laubwälder, ausgedehnte Blumenwiesen, sanfte Hügellandschaften und das Gebirge der südlichen Karpaten prägen die Natur. Ideal also um sich Outdoor zu betätigen. Wanderer finden hier allerorts lohnenswerte Routen, Bergsteiger erfreuen sich ab den herausfordernden Felswänden, Radfahrer geniessen die verkehrsarmen Nebenstraßen und Mountainbiker meistern die Trails im Gebirge.
Fremde Mächte
Siebenbürgen wurde im Laufe seiner Geschichte von verschiedenen Völkern und Ländern dominiert. In der Antike war die Region unter römischer Obhut, im frühen Mittelalter hatten die Ungarn die politische Macht. Im Verlauf des 12. und 13. Jahrhunderts wanderten deutsche Siedler ein. Die Türken dehnten das osmanische Reich bis nach Rumänien aus und die Habsburger spielten auch eine bedeutende Rolle in der Region. Heute bildet Siebenbürgen das geografische Zentrum und den Nordwesten Rumäniens.
Neben all den fremdländischen Armeen beeinflusste im 19. Jahrhundert der Schriftsteller Bram Stoker die wirtschaftlichen und touristischen Geschicke von Transsilvanien.
Brasov
Brasov wird zu deutsch auch Kronstadt genannt. Die Angaben zur Einwohnerzahl der Provinzhauptstadt variieren stark, sie liegen zwischen 255‘000 und 290‘000. Damit ist Brasov eine der größten Städte in Rumänien. Sie liegt hübsch eingebettet in der Bergwelt der südlichen Karpaten. Die vorteilhafte Lage, eine Fülle von historischen Sehenswürdigkeiten und die tollen Ausflugsmöglichkeiten machen Brasov zu einem der meistbesuchten Orte in Rumänien.
Sehenswürdigkeiten
Spaziere über den alten Rathausplatz (Piata Sfatului), wo du bunt bemalte und kunstvoll verzierte Barockstrukturen bewundern kannst. Werfe einen Blick in die Schwarze Kirche (Biserica Neagra), die größte gotische Kirche in Rumänien. Der Name leitet sich von den durch ein Feuer verursachte Schäden ab, als Flammen und Rauch die Wände schwärzten. Bummle durch die einladenden Gassen und lass dich vom relaxten Ambiente anstecken.
Ausflüge und Touren
Die Stadt schmiegt sich an den Berg Tampa, mit seinem dichten Wald und dem weitherum sichtbaren, Hollywood-mäßigen Brașov-Schriftzug. Unterschiedliche Wanderwege führen zum höchsten Punkt auf 960 m. Dazu brauchst du rund eine Stunde. Alternativ fährst du in nur 3 Minuten mit der Seilbahn nach oben. Die Aussicht vom Gipfel ist spektakulär und bietet einen Panoramablick auf die Stadt und die transsilvanische Landschaft.
Unweit der Großstadt liegt auf 1050 m das Resort Poiana Brasov. Im Sommer ist der Ort Ausgangspunkt für Wanderungen und Mountainbike Touren in den südlichen Karpaten. Dazu hat Poiana Brasov eine lange Tradition als Wintersportort, mit Langlaufloipen und mehreren Bahnen und Skiliften zum Ski fahren.
Anreise
Für die Anreise empfehlen wir die spannende Zugfahrt von Bukarest nach Brasov. Der Hauptbahnhof der rumänischen Hauptstadt bietet ungefähr alle 2 Stunden eine Bahnverbindung. Die Fahrzeit beträgt je nach Zugtyp 2.45 – 3.30 Stunden.
Bram Stokers Roman »Dracula«
Schon gelesen? Den Film gesehen? Ich nicht, nicht mein Genre. Aber kennen tun wir ihn alle: Graf Dracula, das Urgestein der Vampire. Und gerade weil ich die Geschichte nur vom Hörensagen kenne, hatte ich schon zu Jugendzeiten mit all meiner Vorstellungskraft, die Szenerie mit der ominösen Burg in meiner Fantasie nachgestellt. Düster war sie, geheimnisvoll, unheimlich gar.
Der irische Schriftsteller Abraham »Bram« Stoker ist der Erschaffer des bekanntesten Vampirs der Literaturgeschichte. 1897 erschien sein Werk und eine Legende war geboren. Die Geschichte kam etliche Male in die Kinos. Francis Ford Coppolas Verfilmung »Bram Stoker’s Dracula« mit Gary Oldmann in der Rolle als Graf Dracula ist eine der bekanntesten davon.
Der wahre Dracula: Vlad III Draculea
Doch gab es Dracula wirklich? Bram Stoker hat sich für seine Romanfigur wohl vom rumänischen Fürsten Vlad III Draculea (1431-1476) inspirieren lassen. Dieser herrschte im Mittelalter über die Walachei, ein Fürstentum im heutigen Rumänien.
Im Kampf gegen Gesetzesbrecher und fremde Eindringlinge aus der Türkei und Ungarn zeigte sich Vlad III Draculea erbarmungslos und gnadenlos. Es wird erzählt, er habe seine Feinde gepfählt, also bei lebendigem Leib auf Pfähle gespießt und qualvoll sterben lassen. Aufgrund dessen erhielt er den Beinamen Vlad »Tepes«, »Vlad der Pfähler«. Im Rumänischen bedeutet »dracu« obendrein noch Teufel.
Doch außer diesen Gräueltaten, gibt es keine Gemeinsamkeiten mit Graf Dracula. Das als Draculas Wohnsitz touristisch geschickt vermarktete Schloss Bran wurde vom rumänischen Tyrann Vlad Draculea nie bewohnt, wohl nicht einmal betreten. Der bekannte Blutsauger Dracula ist und bleibt eine Fantasiefigur des irischen Schriftstellers.
Bran oder Bram?
Kurios empfinden wir die Ähnlichkeit von Bran und Bram. Bran ist der Name des Schlosses und der Ortschaft. Bram ist der Vorname, respektive die Abkürzung von Abraham, des Autors des Romans. Zufall oder Absicht?
Schloss Bran
Der Mythos von Dracula und Vampiren ist Fluch und Segen für Siebenbürgen und das Schloss Bran. Fakt ist die unwiderstehliche Anziehungskraft der geheimnisvollen Burg. Sie ist die erste Adresse für alle, die in die Welt von Dracula eintauchen wollen. Die imposant wirkenden alte Gemäuer und Türme thronen auf einem Felsvorsprung, vor der beeindruckenden Silhouetten des Gebirges der Karpaten.
Historische Zeitleiste
- 1211: Teutonische Ritter errichteten die erste Festung.
- 1377: Die Bewohner von Brasov erhielten vom ungarischen König das Recht die Festung zu einer Burg an der Ostgrenze von Siebenbürgen auszubauen.
- 1388: Fertigstellung der Burg. Sie wurde für die Erhebung von Warenzoll nach und aus Transsilvanien genutzt, wie auch um die Expansion des Osmanischen Reiches zu stoppen.
- 1459: Vlad der Pfähler (Vlad III Draculea) war anfänglich mit Bran und Brasov verbündet, nachdem die Prinzen von Siebenbürgen ihn gebeten hatten, den anti-osmanischen Widerstand an der Grenze zu bewältigen. Er wandte sich jedoch später gegen seine Verbündeten.
- 1836: Die Festung verlor seine militärische und kommerzielle Bedeutung, nachdem die Grenze zwischen Siebenbürgen und der Walachei verlegt worden war.
- 1897: Erscheinung des Romans »Dracula«, welcher vorerst gar nicht erhältlich war in Rumänien
- 1920: Das Schloss Bran wurde der rumänischen Königin Maria übergeben. Es wurde restauriert und etablierte sich als Residenz der königlichen Familie.
- 1938: Königin Maria starb und vermachte das Schloss ihrer Tochter Prinzessin Ileana.
- 1944: Ileana errichtete in Bran ein Krankenhaus, um im Krieg verwundete Soldaten zu behandeln.
- 1948: Prinzessin Ileana und ihre Familie mussten auf Druck des kommunistischen Regimes das Land verlassen.
- 1956: Die Kommunisten verwandelten das Schloss in ein Museum.
- 2009: Das Schloss Bran gelangte wieder offiziell in den Besitz der gesetzlichen Erben der königlichen Familie.
Vorstellungskraft vs Realität
Abgelegen in der Bergwelt von Siebenbürgen? Die Vorstellung wird irgendwie bitter enttäuscht. Der offizielle Bus fährt eben aus mitten in die Ortschaft Bran, welches von ganzen Horden Touristen völlig eingenommen ist. Eine Souvenir-Gasse, beidseits von Verkaufsbuden gesäumt, führt zu einer Rampe und in zwei Minuten bist du oben.
Die lieben Mittouristen
Horror ist nicht was die Legende von Graf Dracula in mir auslöst, sondern ein Horror war der Massentourismus. Wir haben einen gewöhnlichen Dienstag im Juni, später Vormittag. Nie stand ein größeres Heer Soldaten vor den Mauern der Burg als das Heer Touristen an diesem Vormittag.
Im Schloss treten die Leute sich auf die Füße, verdecken die Aushänge und Ausstellungsobjekte, Selfie-Sticks sind die neuen Schwerter. Wer gerne mit seinen Mitmenschen Körperkontakt sucht, wird den Rundgang lieben.
Philosophie der Pfeile
Pfeile führen auf einem eigentlich geschickt angelegten Rundgang durch das Schloss. Dumm nur, wenn die Pfeilrichtung nicht richtig interpretiert wird. Ich dachte immer Pfeile hätten einen internationalen Richtungsstandard? Nicht so in Asien? Sollten asiatische Reisegruppen auf die schwarze Liste gesetzt werden?
Obwohl die Burg von einem ansehnlichen Park umgeben ist, führt die Hauptstraße rund herum, verunstaltet drei Seiten der Anlage und killt die landschaftliche Einbettung. Immerhin kehrte im Schlosspark Ruhe ein. Vögel pfiffen, frischer Wind wehte und die Burg sah von außen so friedvoll und durchaus faszinierend aus.
Übertriebener Hype oder bestätigtes Highlight?
Bist du ein Fan von der Fantasiefigur Dracula und allgemein von der Welt der Vampire? So wirst du den Hype rund um das Schloss Bran und Transsilvanien bestimmt genießen. Falls nicht, mache einen großen Bogen um Bran und besuche bevorzugt andere Burgen und Schlösser in Rumänien.
Ob ich das Buch nun lesen werde? Den Film anschauen? Das weiß ich noch nicht. Der Flecken Transsilvanien bei Schloss Bran jedenfalls war bestimmt nicht die Wirkungsstätte vom düsteren, geheimnisvollen, unheimlichen Graf Dracula meiner Fantasien.
Reiseinformationen
Öffnungszeiten und Eintrittspreise
Das Schloss Bran ist ganzjährig, 7 Tage die Woche geöffnet. Die Öffnungszeiten variieren je nach Saison. Der Eintrittspreis beträgt EUR 8.50 für Erwachsene. Ermäßigte Eintritte erhalten Kinder, Studenten und Senioren. Weitere Informationen findest du auf der offiziellen Homepage: www.bran-castle.com
Anreise
Achtung, vom Hauptbahnhof in Brasov gibt es keine Busverbindung nach Bran. Um mit dem Reisebus nach Bran zu kommen, musst du den Busbahnhof Autogara 2 ansteuern.
Von der Altstadt ab der Haltestelle »Livada Postei« nimmst du die Buslinie 16 zum Busbahnhof 2. Vom Hauptbahnhof gelangst du mit dem Bus Nr. 23 zum Stadion, musst also bei der Haltestelle »Stadionul Tineretului« aussteigen. Von dort ist die Autogara 2 gleich um die Ecke.
Der Reisebus fährt über Rasnov nach Bran, mit mindestens stündlichen Abfahrten, teilweise alle 30 Minuten. Die Fahrzeit dauert ca. 45 Minuten. Die Fahrkosten betragen 8 Lei (ca. 1.60 EUR).