Mit Buschflieger, Boot und zu Fuss durch Südamerikas Urwald

Schreibe dein eigenes Dschungelbuch in Suriname, dem kleinsten Land in Südamerika. Gleite mit einem Einbaum auf einem verträumten Dschungel-Gewässer durch die üppige Vegetation. Entdecke Stromschnellen und Wasserfälle am Oberlauf der Flüsse. Wandere durch den tropischen Wald mit seiner vielfältigen Flora und seiner exotischen Tierwelt. Besteige einen Tafelberg und bewundere die Unendlichkeit des Dschungels von oben. Lerne die vielfältige Maroon-Kultur mit ihren alten afrikanischen Traditionen kennen. Die Welt Explorer nehmen dich mit auf ein Dschungel-Abenteuer am Gran Rio bei der Awarradam Jungle Lodge.

Reiseland Suriname

Suriname ist ein kleines, tropisches Land an der Nordküste Südamerikas, eingeklemmt zwischen Guyana und Französisch-Guayana. Neben dem besiedelten Küstengebiet entlang dem Atlantischen Ozean, wo auch die Hauptstadt Paramaribo liegt, besteht Suriname fast ausschliesslich aus Urwald. Dieser geht an der Grenze zu Brasilien nahtlos zum Amazonas Regenwald über.

Rund 90% des Landes sind von unberührtem Dschungel bedeckt, in dem exotische Tiere wie Affen, Kaimane, Frösche, Agutis, Ameisenbären und farbenprächtige Papageien leben. Der Regenwald Surinames ist ein geheimnisvoller und pulsierender Lebensraum, durchzogen von mäandernden Flüssen, gewaltigen Baumriesen und einem undurchdringlichen grünen Dach. In den abgelegenen Dörfern entlang der Flüsse bewahrt das Volk der Maroons ihre alten Traditionen und Lebensweisen im Einklang mit der Natur.

Ins Landesinnere gelangt man nur nach einer langen Anreise mit einem Boot oder man lässt sich mit einem Buschflugzeug auf einer abenteuerlichen Landepiste im Niemandsland absetzen. Genau das haben wir vor.

Dschungel Fluss Gran Rio in Suriname
Dschungel Fluss Gran Rio in Suriname

Abflug vom Zorg en Hoop Airport

Unser Reiseabenteuer startet auf dem kleinen Zorg en Hoop Airport der Hauptstadt Paramaribo. Hier starten die meisten Flüge zu den kleineren Flugplätzen der Dörfer und Goldminen im Regenwald im Hinterland Surinames. Die niederländischen Begriffe bedeuten »Sorge und Hoffnung«. Ein recht ungewöhnlicher und zweideutiger Name für einen Flughafen. Die Bezeichnung stammt von der früher ansässigen Plantage. Weiterer Fun Fact: Auch die surinamische Luftwaffe ist auf dem Zorg en Hoop Airport stationiert, den Truppen stehen gemäss unserer Recherche zwei Flugzeuge und drei Helikopter zur Verfügung.

Wir sind auf einen Buschflieger mit Gum Air gebucht. Beim Check-in werden wir mittels reichlicher Piktogramme darauf aufmerksam gemacht, was nicht ins Flugzeug darf. Wir geben ehrlich Auskunft, dass da ein Sackmesser dabei sei. Wie gross? Unser vages Handzeichen mit den Fingern scheint zuerst noch nicht zufriedenstellend. Wir verkleinern die Spanne der Finger, zeigen ein gewinnbringendes Lächeln… und gut ist. Sicherheitscheck gemeistert.

Der kleine Wartesaal liegt gleich vor einem Parkfeld und der Startbahn. Da herrscht jedoch noch gähnende Leere. Mit südamerikanischer Pünktlichkeit wird schlussendlich eine Cessna 206 mit einem Minitraktor vor der Fensterfront parkiert. Da der Start scheinbar noch nicht unmittelbar bevorsteht, erkunden wir uns online über den Flugzeugtyp.

Unsere Cessna 206 Stationair

Cessna ist ein US-amerikanischer Flugzeughersteller mit Hauptsitz in Kansas. Die einmotorige und sechssitzige Cessna 206 kam 1964 auf den Markt und erhielt den Beinamen »Stationair«. Die Kombination mit starkem Triebwerk und robuster Konstruktion etablierte die Cessna 206 schnell als erfolgreiches Buschflugzeug. Die Stationair geniesst den Ruf der Zuverlässigkeit (wie beruhigend). Sie ist ein ideales Flugzeug für kurze Flüge, kann dabei je nach Landebahn ein Gesamtgewicht von ca. 400 kg mit 5 Passagieren und Fracht befördern. Dieses nahezu unverwüstliche, leistungsstarke Flugzeug wird vor allem in der Buschfliegerei mit ihren einfachen und relativ ungepflegten Landebahnen sehr geschätzt.

Cessna Buschflieger von Gum Air in Suriname
Cessna Buschflieger von Gum Air in Suriname

Liebe auf den zweiten Blick

Kaum haben wir uns über unser Flugzeug schlau gemacht, kommt Bewegung auf. Ein Gum Air Mitarbeiter deutet auf eine Dame mit marineblauen Hosen und weissem Hemd und meint, das sei unsere Pilotin. Ganz nebenbei erwähnt er noch, es sei heute einer ihrer ersten Flüge.

Ach ja? Jetzt wo wir uns mit der zuverlässigen Cessna 206 angefreundet haben, kommt diese Hiobsbotschaft? Da wünscht man sich nichts sehnlicher als einen erfahrenen Buchpiloten, typischerweise ein Mann und nun sollen wir einer Anfängerin unser Leben anvertrauen? Dschungel-Abenteuer ja gern, aber eine Bruchlandung mitten im Urwald dann doch lieber nur im Film.

»Nein, nein«, korrigiert sich der Mitarbeiter, sie sei sehr erfahren, schon oft geflogen, aber meist nur mit Gepäck und Fracht. Unsere Pilotin Priscilla nimmt uns dann auch liebenswert in Empfang und instruiert uns für den anstehenden Flug. Grosses Aufatmen, das kommt gut.

Flug über den südamerikanischen Dschungel
Flug mit dem Buchflieger über den südamerikanischen Dschungel

Flug über den Urwald

Tatsächlich sind wir die einzigen zwei Passagiere. Einer setzt sich als Co-Pilot neben Priscilla, einer in die hintere Sitzreihe, gleich neben dem Proviant und Waren für die Dschungel-Dörfer am Gran Rio.

Der Motor jault auf, nun geht’s endlich los. Der Buschflieger rattert über die kurze Piste, während die Pilotin konzentriert das Steuer hält. Mit zunehmender Geschwindigkeit wirbelt eine Staubwolke hinter dem Flugzeug auf, und die Räder lösen sich ruckartig vom Boden. Die Maschine steigt steil in den Himmel, während darunter Surinames Hauptstadt Paramaribo und das Atlantische Meer langsam verschwindet und die Vegetation des Urwalds übernimmt.

Während das Flugzeug über das grüne Meer des Regenwalds gleitet, erstrecken sich dichte Baumkronen bis zum Horizont. Der tropische Wald erscheint wie ein lebendiger Teppich, durchzogen von glitzernden Flüssen, die sich in endlosen Windungen durch das Dickicht schlängeln. Gigantische Bäume ragen heraus, und von oben erkennt man das Nebelspiel, das sich in den frühen Morgenstunden oft wie ein mystischer Schleier über die Vegetation legt. Aus dieser Höhe erscheint der Regenwald endlos, ein unberührtes Wunder voller Leben und Geheimnisse.

Doch da klaffen auch Wunden in der Landschaft. Riesige Flächen mit von Maschinen gegrabene Schneisen und braune, schlammige Wasserbecken, in denen einst Bäume standen. Wo vorher Leben pulsierte, wühlen Bagger nach Bodenschätzen. Rauch steigt von brennenden Lichtungen auf – ein bedrückender Anblick, der die Zerstörung dieses uralten Ökosystems gnadenlos offenbart. Im Regenwald von Suriname gibt es verschiedene Bodenschätze, die wirtschaftlich genutzt werden. Der bedeutendste Rohstoff ist Gold, für die Aluminiumproduktion ist Bauxit unerlässlich, Erdöl wird gefördert, dazu Vorkommen von Kupfer, Eisen und andere Mineralien abgebaut.

Flughafen und Flugfeld Kajana mitten im Dschungel
Flughafen und Flugfeld Kajana mitten im Dschungel

Willkommen in Kajana

Nach etwa einer Stunde Flugzeit erreichen wir bereits den Airstrip von Kajana. Priscilla landet so sanft wie es eben geht auf dieser Graspiste mitten im Nirgendwo. Sofort nähern sich einige Einheimische und laden die Fracht ab. Dazu werden wir von unseren lokalen Guides Donovan und Fredy herzlich begrüsst. Danach helfen wir mit, die Waren an den Fluss zum Boot zu schaffen. Wenig später tuckern wir mit Kapitän Dony am Steuer den Gran Rio flussaufwärts.

Auf dem Gran Rio durch den Regenwald

Das Gewässer heisst frei übersetzt »Grosser Fluss«. Doch so gross wie uns der Namen glauben machen will, ist er nicht. Der Gran Rio entspringt tief im surinamischen Regenwald, vereinigt sich dann mit dem Pikin Rio und fliesst als Suriname River in den riesigen Brokopondo-Stausee. Der Gran Rio ist für grosse Schiffe nicht befahrbar, da der Fluss zu flach ist und viele Felsen aufweist.

Genau diese Eigenschaften machen die Bootsfahrt sehr spannend. Der Gran Rio windet sich mit grosszügigen Bogen durch den dichten Regenwald, während Kapitän Dony mit viel Erfahrung um die zahlreichen Felsen und kleinen Stromschnellen steuert, bis vor uns die Insel Awarradam auftaucht.

Gran Rio Dschungel Fluss
Gran Rio Dschungel Fluss

Awarradam Jungle Lodge

Der Gran Rio teilt sich in zwei Arme und formt eine kleine Insel, auf der die Awarradam Jungle Lodge liegt. Der Name leitet sich aus zwei Begriffen ab: »Awarra« ist eine tropische Frucht und »Dam« bedeutet hier Stromschnellen, die sich unweit des Resorts befinden.

Die Lodge ist im traditionellen, lokalen Saramacca-Stil gebaut, leicht erhöht auf dem kleinen Hügelzug. Die Holzhütten auf Stelzen sind einfach, aber durchaus komfortabel. Sie haben sogar ein eigenes Badezimmer mit fliessend Wasser. Die Betten sind mit Moskitonetzen geschützt. Auf den luftigen Terrassen sind die Hängematten und bequemen Sessel perfekt zum Abhängen und Chillen, mit einem fantastischen Blick auf den Flusslauf des Gran Rio. Also praktisch unwiderstehlich… und genau deswegen bleiben wir für den Rest des Nachmittags hier.

Awarradam Jungle Lodge am Gran Rio in Suriname
Awarradam Jungle Lodge am Gran Rio in Suriname

Wellness mit dem Kaiman

Einige Minuten Bootsfahrt flussaufwärts befinden sich die Stromschnellen von Awarradam, auch »Peti Rapids« genannt. Hier gibt es zwar kein Weiterkommen mit dem Einbaum, doch erleben wir eine der lokalen Attraktionen. Die Awarradam Jungle Lodge brüstet sich gerne mit seinem Spa-Bereich. Gemeint ist damit die Wassermassage hier am Fluss, wenn das kühlende Nass wohltuend auf den Rücken plätschert.

Wir beschliessen in der Strömung bis zur Lodge zu schwimmen oder vielmehr gleiten wir dank den Schwimmwesten mühelos auf dem Gran Rio flussabwärts. Sorgenfalten bereiten uns nur die Spuren eines Kaimans auf einer Sandbank. Tatsächlich sehen wir das südamerikanische Raubtier wenig später regungslos am Ufer lauern. Die Schnauze knapp über dem Wasserspiegel, mit den scharfen Zähnen und kräftigen Kiefern bedrohlich geöffnet. Doch trotz ihrer Gefährlichkeit für Fische, Vögel und kleinere Säugetiere, sind Kaimane meist scheu gegenüber Menschen. Dies versichert zumindest Guide Donovan und schwimmt weiter. Na dann – wir tun’s ihm gleich.

Awarradam Stromschnellen am Gran Rio
Wellness bei den Awarradam Stromschnellen am Gran Rio.

Morgendämmerung auf dem Gran Rio

In den frühen Morgenstunden bei völliger Dunkelheit ziehen wir los. Strom gibt es um diese Uhrzeit noch keinen in der Awarradam Lodge. Das genau jetzt die Stirnlampe versagt, ist einfach nur Pech. Nach über 15 Dienstjahren musste das es ja mal passieren. Und trotzdem entgleitet mir ein nun hier zensuriertes Fluchwort. Nur gut sind moderne Smartphones Alleskönner und wir erreichen die Anlegestelle des Boots stolperfrei.

Während der Tag langsam erwacht, gleitet das Boot auf dem trägen Gran Rio dahin. Sogar die nimmermüden Grillen haben ihr Zirpen temporär eingestellt, es ist gespenstisch ruhig. Ein leichter Nebel schwebt wie ein Schleier über der Wasseroberfläche. Scheinbar undurchdringliche Vegetation säumt das Ufer und erhebt sich beidseits wie eine schwarze Wand.

Bootsführer Dony manövriert das Holzboot geschickt zwischen den kleinen und grossen Felsinseln hindurch. Bei vereinzelten Stromschnellen hebt er den Motor kurz aus dem Wasser, um keinen Kontakt der Schraube mit dem Gestein zu riskieren. Sobald die ersten Sonnenstrahlen das Dickicht durchbrechen, halten wir auf einer dieser Felsinseln an und nehmen ein leichtes, aber stimmungsvolles Frühstück zu uns. Die wärmende Tasse Kaffee tut wirklich gut, da es noch empfindlich kalt ist.

Wir cruisen weiter flussabwärts, die Sonnenstrahlen reflektieren nun das Gebüsch und die riesigen Bäume in intensiven Farben auf der ruhigen Wasseroberfläche. Der Dschungel erwacht, die Grillen grüssen lautstark, wir vernehmen das Kreischen eines Tukans und das entfernte Brüllen der Kapuzineraffen. Plötzlich biegt Dony in eine kleine, versteckte Bucht ein. Der lange, hölzerne Kahn hat gerade mal Platz. Nun geht es zu Fuss weiter, eine abenteuerliche Dschungel-Wanderung erwartet uns.

Trekking und Wanderung im südamerikanischen Dschungel
Trekking und Wanderung im südamerikanischen Dschungel

Tierwelt im Urwald

Geführt von unseren erfahrenen Guides, dringen wir auf einem schmalen, kaum wahrnehmbaren Pfad immer tiefer ins grüne Dickicht des Regenwaldes ein. Die Machete leistet dabei wertvolle Dienste. Unter dem dichten Blätterdach offenbart sich eine Welt voller Leben: grelles Quaken bei dunklen Gewässern, verborgene Tierspuren im Schlamm und das geheimnisvolle Rascheln unsichtbarer Bewohner im Unterholz.

Tatsächlich sehen wir auf unserer Wanderung etliche Tiere: Ein bunter Frosch verharrt auf einem moosbewachsenen Stamm, Blattschneiderameisen schleppen unentwegt Pflanzenteile hin und her, Totenkopfaffen turnen im Geäst, Donovan zeigt uns eine fast nicht erkennbare Gespenstschrecken (Insekt, das sich wie ein Zweig oder Blatt tarnt), ein Aguti (südamerikanisches Nagetier) huscht schnellst möglich davon und hoch über uns krächzen Papageien um die Wette.

Frosch im Regenwald von Suriname
Frosch im Regenwald von Suriname

Dschungel-Wanderung zum Oko-Berg

Der Pfad windet sich durch den dichten, feuchten Wald. Die Luft ist schwer vom Duft des tropischen Gewächses, während mächtige Baumriesen mit hängenden Lianen den Himmel fast vollständig verdecken. Immer wieder weist und Donovan auf die heilenden Eigenschaften einer Pflanze hin oder entdeckt ein spannendes Exemplar aus der Tierwelt. Gar nicht so einfach auch wirklich vorwärtszukommen, es gibt so viel zu entdecken.

Nach etwa zwei Stunden wandern erreichen wir den Fuss des Okobergs, auch Oko Bergi genannt. Nun wird das Gelände felsig und steil. Wir angeln uns mit Hilfe von Wurzeln und Lianen hoch, bis zum höchsten Punkt auf fast 200 m. Oben angekommen, eröffnet sich eine majestätische Szenerie. Ganz überraschend prägen Kakteen den kleinen Tafelberg. Mit seinen dicht bewachsenen Hängen ragt der Oko-Berg wie eine grüne Insel aus dem endlosen Meer der Baumwipfel und bietet atemberaubende Ausblicke auf die unberührte Wildnis des südamerikanischen Regenwaldes. Die erhabene Aussicht beeindruckt uns mächtig. Da gibt es gar nicht viel zu sagen – einfach schweigen und geniessen.

Okoberg Granitfelsen und Tafelberg in Suriname
Okoberg Granitfelsen und Tafelberg in Suriname
Welt Explorer Team
Wir sind die Welt Explorer – ein Reiseblog für Weltentdecker. Die Welt kann vor der eigenen Haustür anfangen, in der Heimatstadt oder auf dem Lieblingsberg. Man braucht gar nicht weit zu gehen für eine Entdeckungstour. Doch unser Planet ist gross, das Fernweh ebenso. Unsere Passion ist das Reisen und Entdecken, fremde Länder und Kulturen kennenzulernen. Wir publizieren Anekdoten, Reisegeschichten, Reiseberichte, Reportagen und Reisefotos über die erlebten Abenteuer.